Am nächsten Morgen starte ich gespannt in den Tag. Heute setzte ich meinen ersten Fuß nach Asien. Fürs erste geht es deswegen bergab durch Istanbul. Ich fahre auf die viel befahrene Hauptstraße und rausche Richtung Bosporus, schlängele mich zwischen den wartenden Autos hindurch und bin viel zu schnell unten angekommen. Ich liebe es mittlerweile, sich einfach im Verkehrsfluss chaotischer Straßen in großen Städten treiben zu lassen.

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Schnell löse ich noch ein Fährticket und warte eine viertel Stunde. Dann ist es so weit, ich besteige die Fähre und schippere langsam nach Asien. Tschüss Europa!

Und was trifft man zuerst in Asien? Drei Deutsche! Wir kommen ins Gespräch und plaudern kurz, dann geht es weiter. Ich mache nur noch kurz einen Abstecher zum letzten Rohloffhändler bis Bangkok, da ich noch etwas Öl für meine Nabe kaufen will. Das hatte ich vergessen, als ich mein Rad vor ein paar Tage zum Durchchecken gebracht hatte.

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Dann geht es aber wirklich los. Der erste Abschnitt ist einfach herrlich. Komplett eben führt mich mein Weg für ca. 20 Kilometer an der Strandpromenade entlang, hinzu kommt etwas Nieselregen.

Um eine Engstelle mit viel Verkehr zu umfahren wechsele ich, nach den 20 Kilometern die Seite über die Meerzunge, der ich seit Istanbul gefolgt bin. Als ich auf der Fähre sitze verfalle ich beinahe in eine meditative Ruhe. Das Schiff schaukelt in den Wellen hin und her, der Regen prasselt unablässig auf das Deck und da sonst keiner draußen ist, legt sich eine tiefe Stille über das Schiff. Mir laufen warme Schauder den Rücken hoch und viel zu schnell bin ich in der Stadt Yalova angekommen.

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Ab Yalova geht es nicht mehr ganz so schön weiter. Keine Promenade mehr, nur noch viele Autos. Außerdem beginne ich auch meinen Host Kerby zu vermissen. Wir hatten uns doch ganz gut angefreundet. Für ein paar Kilometer geht es dann noch so dahin, bis ich am Abend in ein kleines Hotel einchecke.

Als ich dann am nächsten Morgen vor die Türe trete, schüttet es aus allen Wolken. In mir kommt Freude auf und während ich Richtung Osten strample, denke ich mir, dass ich hier wohl der einzige bin, der sich über dieses Wetter freut. Es bleibt den ganzen Tag über trüb und regnet immer wieder. Heute nochmal um einiges heftiger als gestern.

Daran hätte ich am Abend denken sollen. Da überlege ich mir nämlich gerade, wo ich denn heute schlafe. Und der Waldweg, der sich auf einmal auf meiner Rechten auftut, sieht doch nach einer prima Möglichkeit zum campen aus. Ich biege ab und beginne dem Weg zu folgen. Solange, bis ich an meinem Rad herunterschaue.

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Ich habe soeben mein Verständnis von einem „dreckigen Fahrrad“ neu definiert. Aber neben der optischen Komponente hat das Ganze auch noch eine weitere Folge. Die Reifen beginnen zu blockieren und irgendwann geht es weder vor noch zurück. Ich stecke fest. Ein weiterer Leidgenosse kommt mir mit einem Auto entgegen. Als ich ihm, im Schlamm steckend, erzähle, dass ich nach Thailand will, muss er hemmungslos lachen.

Mit Mühe und Not, schaffe ich es nach über eine Stunde endlich zurück auf die Autobahn. Vielleicht ist ein Hotel heute doch die bessere Idee. Bloß wer lässt mich mit dem verdreckten Fahrrad herein? So geht noch eine weitere Stunde fürs Saubermachen an einer Tankstelle drauf. Danach ist es bereits stockdunkel. Müde und erschöpft finde ich in der Finsternis noch einen Zeltplatz 30 Meter neben der Autobahn.

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Am nächsten Morgen geht der Tacho nicht mehr. Na toll. Wahrscheinlich hat er die gestrige Säuberungsaktion nicht überlebt. Deswegen fahre ich acht Kilometer bis nach Hendek, einer kleinen Stadt, in der ich nur schnell einen neuen Tacho kaufen will.

In Hendek führt eine Folge an Ereignissen zu meinem gastfreundschaftlichsten Erlebnis bis dato.

Erstmal wollte ich mich in Hendek eigentlich nur auf den Bordstein setzten, um ein frisch gebackenes Brot zu essen, zu dessen Kauf mich sein verführerischer Duft gerade verleitet hatte.

Doch als ich mich auf einem Bordstein niederlasse, entdeckt mich eine türkische Familie, die den Morgen bei einer Tasse Cay genießt. Ich werde hinzu gewunken und da die Mutter der Familie, Sevil, gut Englisch sprechen kann, erzähle ich ein bisschen von mir.

Sevil bietet mir dann an, zusammen einen neuen Tacho kaufen zu gehen, die Werkstatt ihres Mannes benutzen zu können und einen deutsch sprechenden Freund einzuladen.

So sitze ich am Nachmittag mit einem neuen Tacho und einem gewarteten Fahrrad bei etwas Cay und spreche mit Orhan, einem Türken, der mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat.

Orhan bietet mir dann auch noch an, bei ihm zu nächtigen. Überglücklich nehme ich das natürlich an. Er bezieht mir ein Bett, macht mir Abendessen und wäscht meine Wäsche. Helfen darf ich nicht. Und dabei kenne ich diesen Mann doch erst seit ein paar Stunden! Und trotzdem zeigt er sich so großzügig mir gegenüber. Diese Art an Gastfreundlichkeit habe ich bis jetzt noch nicht erlebt und ich denke, in unseren Breitengraden ist sie auch schwer zu erleben.

Am nächsten Morgen lädt er mich zudem noch zu einer Linsensuppe ein. Ein typisches türkisches Frühstück. Total überwältigt verabschiede ich mich danach von Orhan, Sevil und ihrer Familie.

Den Rest des Tages verbringe ich damit Kilometer gut zu machen. Auf der Autobahn geht es Richtung Düzce. War es bis jetzt seit Istanbul relativ flach gewesen, ist damit nun abrupt Schluss. Auf einmal geht es von 95 Metern auf über 900.

Als ich mir meinen Weg nach oben arbeite, wird es dunkel. Und es ist einfach kein Zeltplatz in Sicht. Für den Anstieg bin ich auf eine kleinere Nebenstraße ausgewichen und an dieser führt nun ein nicht endendes Dorf entlang. Als es schon stockdunkel ist habe ich immer noch nichts gefunden. Schließlich baue ich mein Zelt 20 Meter entfernt zum nächsten Haus, in einem kleinen Haselnussbaumfeld auf. Keinesfalls ein sicherer Platz. Ich hoffe, dass mich die Dunkelheit zu genüge schützt. Doch wie es kommen muss entdeckt mich ein streunender Hund in der Nacht. Der findet das ganz lustig, einfach mal drauf los zu bellen. Ich finde das hingegen gar nicht so amüsant und stelle mir schon vor, wie die ganze Dorfgemeinschaft anrückt und mich von dem Feld vertreibt. Letztendlich gibt er gottseidank nach ca. einer viertel Stunde auf. Nochmal Glück gehabt.

  • Die blaue Moschee vom Meer aus

6 Kommentare

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  • Herzlichen Glückwunsch zum Erreichen des neuen Kontinents. Jetzt hast du endlich das alte Europa verlassen und nun wird die Welt ganz anders ausschauen. Viel Erfolg und viele schöne Erfahrungen wünscht dir
    Hermann und Brigitte Kempf

  • Hallo Manuel,

    der Deutsche auf dem Foto rechts von Dir ist Peter Richter, ein Reiseradler aus Bayreuth. Mit dem habe ich letztes Jahr vor seiner Abreise noch eine kleine Tagestour unternommen.

    So klein ist die Welt!

  • Hey, ich hab deine Dokumentation gesehen und deinen Blog gelesen, da ich selber gerade am planen bin. Nun ist mir aufgefallen, dass du in einigen Ländern auf der Autobahn fährst. War das dort erlaubt oder hast du das einfach gemacht?
    Ich fand deine Doku sau cool und es hat mich richtig Inspiriert.

    • Hallo Johannes,
      in vielen Ländern kümmert es keinen, wenn du das tust. Nur in reicheren westlichen Industriestaaten ist das meistens verboten.
      Liebe Grüße

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