Als ich aufwache merke ich, dass mein Zelt total nass ist. Wenn ich es heute nirgendwo trocknen kann, wird es am Abend etwas ungemütlich. Ich packe es ein und da ich gestern viel an Höhe gut gemacht habe geht es jetzt erstmal bergab.
Nach zehn Kilometern komme ich in ein Dorf. Als ich an ein paar älteren Herrschaften vorbeikomme, winkt mich ein älterer Mann herüber. Ich soll mich zu ihnen setzten. Der Mann beginnt mich auf Serbisch vollzuquatschen. Gott sei Dank kann eine Frau neben mir etwas Deutsch und übersetzt. Neben dem Tisch steht ein Stapel von vier oder fünf Kästen, einer halb leer. Und der Mann wirkt auch schon etwas angetrunken. Wenn einer seiner Freunde ihn unterbrechen will, winkt er energisch ab und wird aggressiv, wenn man ihn nicht lässt. Irgendwann will er wissen, wo ich her komme. Als ich „Deutschland“ antworte, ruft er sofort ganz aufgeregt: „Hitler!“
Ich schüttle etwas verwundert den Kopf und sage: „Nein, nichts Hitler.“
Der Mann beruhigt sich und meint: „Ach so, dann Belgien oder Österreich?“
Ich verneine: “Nein, schon Deutschland.“
Sofort kommt wieder ganz aufgeregt und mit einem dicken Grinsen im Gesicht: „Hitler!“
Mir wird das Ganze zu blöd und ich stelle freundlich das mir angebotene Wasser wieder zurück in den Kühlschrank, erkläre, ich müsste heute noch viele Kilometer mit Rad machen und fahre los. Zum Abschied macht der Mann noch den Hitlergruß.
Je weiter ich in den Osten des Landes vordringe, desto kritischer beäugen mich die Einheimischen. Irgendwann bekomme ich fast nur noch kritische Blicke. Die Menschen hier sind Touristen wohl kaum gewöhnt. Wenn ich mal jemanden freundlich Grüße, grüßt auch kaum einer mehr zurück. Einzig Einzelne freuen sich, einen Radreisenden in ihrem Land zu sehen.
Was mir auch noch auffällt, je weiter ich nach Osten komme, desto mehr herrenlose Hunde finde ich. In manchen Städten und Orten streunen ganze Rudel von ihnen herum. Nähert man sich ihnen beachten die Meisten einen gar nicht, andere bellen jeden an und wieder andere schauen unterwürfig mit großen Hundeaugen zu einem auf, als hätten sie schon die ein oder andern Schläge von Menschen bekommen. Mir tun sie etwas Leid und ich wundere mich über die schiere Anzahl.
Am Abend geht es dann wieder in einen Gebirgszug, diesmal auf fast 700 Meter Höhe. Als ich oben angekommen bin ist es schon fast 19:00. Und auch das Zelt habe ich tagsüber nicht getrocknet. Auf der Suche nach einem Platz zu wild campen treffe ich auf einem Feldweg auf einen Mann in seinem Auto. Er lässt das Fenster herunter und ich gebe ihm zu verstehen, dass ich einen Schlafplatz suche. Und was macht der Mann? Er führt mich zu einer kleinen Hütte, öffnet diese, zeigt auf ein Bett und gibt mir noch zu verstehen, ich könnte aus seinem Garten esse. Danach verlässt er mich.
Das nenne ich mal wieder Glück gehabt. So sitze ich glücklich irgendwo im Osten Serbiens auf einem Berg, habe einen wunderbaren Blick in ein sich vor mir öffnendes Tal, genieße die besten Spitzpaprika, die ich je probiert habe und lasse den Abend ausklingen.
Datum: 19. August 2015
Hallo Samuel, wir folgen deinen Spuren und v.a. Schilderungen weiterhin mit Spannung und Vergnügen, wenn wir ins Internet können. Als alte Geographiefans – typisch Lehrer halt – täten wir uns bei deinen Reiseerlebnissen manchmal den einen oder anderen Hinweis wünschen, wo genau du dich befindest (wahrscheinlich ist auch der Osten Serbiens recht groß und weit). Nichts für ungut und herzliche Grüße vom Gargano, dem italienischen Stiefelsporn ( also gegenüber von dir – fast) Monika und Christian Saling
Stimmt, das ist fast gegenüber. 😀 Ich habe in den nächsten Blogposts mal die Städtenamen untergebracht, würde euch das reichen? Ansonsten kann ich vielleicht noch eine Karte hinzufügen, dann läd es aber langsamer.
Beste Grüße
Samuel