Ganze 10 Tage bleibe ich in Tiruvannamalei. Fünfmal länger als geplant. Aber es gefällt mir dort so gut und ich habe auch mit der Unterkunft Glück, da ich eingeladen werde.

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Irgendwann muss es dann aber auch mal wieder weiter gehen und so starte ich am elften Tag mit ein bisschen Wehmut im Herzen und dem Ziel Krishnagiri. Das ist die nächste größere Stadt,etwa hundert Kilometer entfernt. Über den Tag stellt sich diese Wegstrecke aber als einziger Kraftakt heraus.Ich bin noch nicht wieder richtig im Radeln drin und muss mich die letzten Kilometer ganz schön schinden.

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Erschöpft halte ich fünf Kilometer vor meinem Ziel am Straßenrand. Ein Inder wird auf mich aufmerksam und spricht mich an. Ich frage ihn, ob ich in seinem Garten campen könnte und er willigt ein. Klasse! So habe ich einen sicheren Platz für die Nacht und bekomme zu essen und trinken.

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Ein Happy End, könnte man meinen. Nicht ganz. Das kostenlose Wasser bezahle ich den nächsten Tag mit kräftig Magenschmerzen. Die tun nicht nur weh, sondern schwächen mich auch enorm. Und so krieche ich, schlecht gelaunt, in Schneckentempo über die Landschaften.

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Einzig ein Dorffest, über das ich per Zufall stolpere, lockert meinen Tag ein wenig auf. In jenem Dorf hat sich die komplette Dorfgemeinschaft wild grölend und gackernd versammelt. Sie treiben Stiere auf den Hauptplatz und beginnen dann in einer Lautstärke zu trommeln, dass die Stiere panische durch die Gassen Richtung Dorfrand rasen. Die Dorfjugend hinterher, den Stier wieder einzufangen. Was ein Leben als heiliges Tier.

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Am späten Nachmittag wird der Zustand der Straße dann immer schlimmer. Auf Sandpisten geht es steile Hügel hinauf. Völlig erschöpft und fertig komme ich so in einem abgelegenen Dorf an. Ein paar junge Männer bieten mir einen Sitzplatz in einem kleinen Tempel an. Völlig fertig starre ich in die Luft und denke darüber nach, wo ich heute schlafe. Die jungen Männer scheinen mir dabei keine große Hilfe.

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Genau in diesem Moment erscheint ein Engel in Form eines älteren Herren. Er ist der erste, der frägt, wie es mir geht und nicht nur wie viel mein Rad kostet. Ich erkläre, dass ich völlig fertig bin, da ich den ganzen Tag mit Magenschmerzen zu kämpfen hatte. Zu meiner Überraschung versteht und spricht er vergleichsweise gut Englisch. Er sagt, ich soll mir keine Sorgen machen, er besorgt mir jetzt erst einmal einen Tee, dann etwas zu essen und heute könnte ich bei ihm übernachten.

Gesagt, getan. Ich bekomme erstmal einen Tee. Am Abend zum Essen werde ich einem Rechtsanwalt vorgestellt. Er spricht noch besser Englisch. Ich berichte ihm von meinen Erlebnissen der letzten Monate. Total begeistert schreibt er mir daraufhin ein offizielles Empfehlungsschreiben.

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Später geht es dann wieder zum Haus des älteren Herren. Das Haus ist sehr einfach. Ein geschlossenes Zimmer und Bad, der Rest ist auf der einen Seite hin offen. Statt einem Herd gibt es eine Feuerstelle im Haus. Um nicht von Mücken zerstochen zu werden, baue ich mein Innenzelt auf.

Ein Happy End? Fast. Am Abend drehen auf einmal die Tempelpriester ihre Mucke auf. Und mit einer Lautstärke, dass jede Party dagegen ein Klacks ist. Irgendwelche singenden Männerstimmen schallen durch die Gassen und ich wundere mich bloß in meinem Schlafsack, warum die Inder überall immer einen drauf setzten müssen. Mich hat schon der Muezzin genervt, wenn er mich aus den Federn geholt hat und hier lässt man mich nicht mal in die Federn hinein.

Zu mindestens wartet eine kleine Entschädigung am nächsteb Morgen auf mich. Mein älterer Gastgeber hat über dem Feuer Wasser heiß gemacht. Im Bad kann ich mich damit waschen. Dabei benutze ich eine kleine Tasse um mir das Wasser über zu gießen. Irgendwie finde ich gefallen an dieser Einfachheit.

Danach treffe ich noch zum Frühstück mit dem Rechtsanwalt. Er rät mir von meiner derzeitigen Route ab und berichtet mir von einem Sai Baba Ashram in der Nähe von Bangalore. Ich glaube zwar nicht, dass meine Route gefährlich ist, da aber in letzter Zeit das Ziel Rishikesch die Freude am Weg dorthin verdrängt hat, stimme ich zu.

Der ältere Herr bittet mich bei unserem Abschied noch um ein paar Rupies, da er gerne rauchen möchte. Da er arm und doch so nett und hilfsbereit ist, gebe ich ihm nur zu gern etwas. Etwa 70 Cent darf ich ihm geben, mehr ist für ihn zu viel.

Heute kommt die Freude am Reisen wieder zurück. Ich habe kein Bauchweh mehr und meine Beine strotzen nur so vor Kraft. Ein Phänomen, das ich schon öfters bei mir beobachtet habe. Nach einer Pause brauche ich erst zwei Tage um mich wieder einzugewöhnen.

Es geht durch wunderbare Landschaften auf mittel bis wenig befahrenen Straßen. Ab Mittag komme ich zudem ständig an Ziegelsteinfabriken vorbei. Kilometerlang nur Ziegelbrennereien am Wegesrand.

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Zu Mittag setze ich mich mit einer Wassermelone unter einen Baum. Leider sitze ich dort nicht lange allein, schnell habe ich Gesellschaft von drei neugierigen in Indern. Einer der Inder zeigt auf eine ausgehöhlte Wassermelonenhälfte und meint zu mir, ich müsste die auf meinen Kopf setzten, das wäre erfrischend. Da soll er sich mal keinen Zwang antun, ich schenke ihm die Wassermelone. Tja, und der Inder? Der nimmt die halbe Wassermelone und stülpt sie sich über den Kopf! Es zerreißt es mich fast. Er sieht so fruchtbar dämlich damit aus. Ich muss mich unglaublich zusammenreißen, damit ich nicht in lautstarkes Lachen verfalle.

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Am Abend erreiche ich den Ashram. Ich werde zur Rezeption geleitet und frage nach einem Zimmer. Unter einer dicken Brille schauen mich zwei misstrauische Augen musternd an. Ein älterer Herr gibt mir die Antwort, dass sie das nur für religiöse Zwecke geben würden. Schnell füge ich hinzu, dass ich ja von Ashram zu Ashram reise. Nicht wirklich überzeugt und etwas zögernd gewährt er mir das Zimmer und ich buche für zwei Nächte. Da die meisten Zimmer leer sind wundere ich mich ein bisschen, dass sie bei den religiösen Zwecken so streng sind.Den nächsten Tag nutze ich dann auch wirklich brav für religiöse Zwecke und gucke mir den neusten Star Wars Teil im Kino an.

Am Abend streife ich noch ein bisschen in der Gegend um den Ashram herum und finde einen Mann, der mit Sonnenbrille schweißt. Erst sieht er für mich wie der coolste Hecht unter den Sternen aus, dann denke ich mir aber, dass er wahrscheinlich kein Geld für Richtigen Schutz hat. Letztlich tut er mir wirklich leid.

2 Kommentare

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  • Servus Samuel,

    vor 2 Tagen hatten wir am Abend starken Schneefall mit Wind. An einer Hauptverkehrskreuzung in Augsburg rollte langsam ein Tourenradler an mir vorbei. Ein junger Mann, wohl ein Japaner, vollkommen zugeschneit, mit gelber großer Fahne am Gepäckträger.
    Ich musste gleich an dich denken…
    Hier ist es kalt,verschneit, aber „sauberes“ Wasser und Verpflegung sind gewährleistet…
    Du erlebst das andere extrem…
    Hast du schon eine „Gefühlsrichtung“, ob du Indien hassen oder lieben wirst?

    Liebe Grüße und gute Gesundheit!
    Marion

    • Ich glaube mittlerweile, dass man Indien nicht komplett lieben oder hassen kann. Ich tue jedenfalls beides immer wieder. 😀

      Liebe Grüße

      Samuel

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