Als ich am nächsten Morgen von Pass aus starte, habe ich ein Problem. Die Geschichte Rosalie scheint sich zu wiederholen. Rosalie 2.0 sozusagen. Bei dem Hotel, bei dem ich übernachtet habe, lebt ein Hund. Ein sehr schüchterner Hund. Die Besitzer sin ganz überrascht, wie schnell ich sein Vertrauen gewinne. Und als ich dann losfahre, folgt er mir auf einmal.

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Na toll! Ein weiteres Hundeherz, das ich brechen muss. Vielleicht sollte ich nicht immer so freundlich zu Mr. Und Mrs. Doggy sein. Aber das hilft mir jetzt auch nicht mehr weiter. Ich drehe um und radle wieder Richtung Hotel. Dort setzte ich den Hund dann an sein Plätzchen und starte nochmal von vorne. Und dreimal dürft ihr raten, wer sich wieder an meine Fersen hängt. Der Nikolaus! Nein, natürlich nicht. Der Hund. Also gleiches Spielchen nochmal. Zurückfahren, Hund an Plätzchen setzten, aber diesmal gehe ich geschwind nochmal rein und kontaktiere die Besitzer. Die finden das recht amüsant und kommen mit raus, um aufzupassen. Mit ihrer Hilfe, kann ich meinen dritten Start dann alleine durchziehen.

Die Straße führt mich erstmal bergab Richtung Tal. Wobei Straße etwas übertrieben wäre. Besser treffen würde es: Buckelpiste, von Schlaglöchern übersehen, auf der spitze Steine rausschauen und der Samuel immer wieder heftig zum Fluchen kommt, da er gerade nicht aufgepasst hat. Aber, dass er nicht aufpasst hat, hat seinen Grund. Der Grund liegt in der berauschenden Schönheit der umgebenden Natur. Etwas Ähnliches oder Gleichwertiges habe ich auf meiner Tour selten zu Gesicht bekommen. Der Grund mag darin begraben liegen, dass ich den Herbst liebe. Denn das, was ich erblicke, ist eine liebliche Herbstlandschaft. Die Bäume strecken ihre vergehenden Blätter in letzter, bunter Farbenpracht noch einmal gen Himmel. Durch ihr dichtes orange, bräunlich schimmerndes Blätterdach wabern ruhsam die Nebelschwaden. Keine Menschenseele ist zu sehen. Die Schönheit gibt sich in diesem Moment ganz mir alleine Preis. Und ich sauge sie auf, inhaliere sie sozusagen.

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So sind die Verzögerungen in der Abfahrt nicht alleinig den Straßenbedingungen geschuldet. Die Straßenbedingungen werden erst weiter unten im Tal wieder besser. Bis dahin hat auch die Magie, des Herbstwaldes nachgelassen und somit bin ich endgültig frei, wieder ordentlich in die Pedale zu treten. Und genau das mache ich auch. Als ich auf den ersten Teer treffe fühlt es sich an, wie ein Befreiungsschlag. Augenblicklich bin ich nicht mehr zu halten. Ich düse die Straßen entlang, immer weiter und weiter und erst als mich der erste Hunger einholt, mache ich eine Pause.

Die Pause währt aber kürzer als geplant. Da ich ein paar Hunde füttere, entdeckt mich ein Mann in der Bushaltestelle, in der ich gerade sitze. Der Mann erzählt mir erstmal, dass er schon in Afghanistan gekämpft hat und bietet mir Wodka an. Außerdem starrt er die ganze Zeit auf mein Taschenmesser und will es gerne geschenkt haben. Er erklärt mir, dass er in der Gegend bekannt ist und ich nur sagen soll, dass ich ihn kenne, wenn ich Probleme hätte. Ich denke mir nur: „Jaja, am Ende werde ich festgenommen, wenn ich das sage.“ Da mir der Typ nicht gemütlicher wird, verlasse ich irgendwann vorzeitig meinen Pauseplatz und steige wieder auf das Rad.

Den restlichen Nachmittag geht es mehr oder weniger hügelig über die Landschaft, von Ort zu Ort, dahin. Aber kein Vergleich mehr zu den Anstrengungen der letzten Tage. Am Abend bin ich dann in Akhaltsikhe und überlege, ob ich noch aus der Stadt herausfahren soll oder mir ein Quartier in einem Hotel suchen soll. Als ich bei einem Hotel den Preis um 40% herunterhandeln kann, fällt meine Entscheidung auf das Hotel.

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Am nächsten Tag führt mich mein Weg durch eine Schlucht. Links und rechts ragen die Felswände empor und durch die Mitte der Schlucht windet sich unermüdlich ein kleiner Fluss, der von herbstlich gelben Laubbäumen gesäumt wird. Auch die Sonne lässt mich heute wieder ihre Wärme spüren und so bin ich guter Dinge, während ich dem Tal folge.

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Bis zum Abend folge ich dem Tal, dann beginne ich nach einem Zeltplatz Ausschau zu halten. Ich habe drei gute Möglichkeiten, entscheide ich aber für die Vierte, am wenigsten Gute. Nämlich unter einem Walnussbaum und als mir die ersten Walnüsse auf den Kopf fallen, frage ich mich warum ich eigentlich diesen Platz gewählt habe. Irgendetwas fühlt sich daran aber richtig an.

Ich verzerre mein Abendbrot, einen riesigen Fladen mit pflanzlichem Aufstrich. Während ich so vor mich her kaue, bemerke ich, wie billig eigentlich mein Abendessen eigentlich ist. 26-27 Cent war der Fladen teuer. Und viel mehr als Essen muss ich meist nicht zahlen. Da zeigt sich mal wieder: Reisen kann sehr billig sein.

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Als ich dann gerade mein Zelt aufbaue, nähert sich der Hirte von nebenan. Er macht sich kurz ein Bild von meiner Lage und dann kommt etwas, womit ich gar nicht gerechnet hätte. Ich werde eingeladen, bei ihm zu übernachten!

Ruckzuck packe ich mein Zelt wieder zusammen und werde von seiner Frau Eva in ihr kleines Haus geführt. Sie verfrachtet mich erst einmal in die Küche und dann wird serviert. Allerlei leckere Sachen gibt es. Ganz stolz ist sie auf die Milch ihrer Kühe und so gibt es noch ein Glas warme Mich mit Zucker. Helfen darf ich natürlich nicht.

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Das Haus ist sehr rustikal. Eva nutz eine Gaslampe, damit wir etwas im dunklen sehen können. Erst als Sergei den Generator anmacht, gibt es Strom. Die Toilette ist ein Plumpsklo im Freien. Fließend Wasser gibt es nicht. Und über dem Tisch hebt ein mir bekanntes Gesicht das Haupt. Stalin. Die Beiden sind wohl an schon lang vergangenen Zeiten noch stark verhaftet.

Nach dem Mahle geht es dann zu Fernsehen. Das scheint für Beide recht wichtig zu seien und das kann ich mir auch gut vorstellen. Für die Beiden muss das wie ein Fenster zum Rest der Welt seien, da sie ja ansonsten doch recht alleine Leben.

Und als ich dann müde in schlafen gehen will, werde ich zu ihrem Bett geleitet. Und es hilft auch kein Protest, die Beiden schlafen heute wo anders. Wer würde von uns sein warmes und weiches Bett hergeben für einen Fremden hergeben?

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Am nächsten Morgen brät Eva dann noch Kartoffeln in Öl für mich heraus. Dazu gibt es eine selbstgemachte Soße und als ich ihr zu erkenne gebe, dass es mir mundet, schenkt sie mir gleich noch eine Flasche von der Soße.

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Als ich mich von den Beiden verabschiede bin ich unglaublich gerührt. Sie haben im Vergleich zu uns so wenig, geben aber doch so viel.

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Datum: 14. Oktober 2015 bis 15. Oktober 2015

4 Kommentare

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  • Lieber Samuel,
    ich lese immer fleißig und mit Begeisterung deine ganzen Berichte ! 🙂
    Es ist so toll zu lesen, was für eine Gastfreundschaft du auf deiner Reise erlebst. Man spürt richtig die Herzlichkeit, die diese Leute geben.
    Und wie immer zeigst du dich als der Hundeflüsterer. 😀 Viele der Tiere werden dich bestimmt positiv in Erinnerung behalten, genauso wie du sie. 😀 🙂 😉
    Hoffe dir gehts gut ! 🙂
    Liebe Grüße
    Dein Schwesterchen

  • Hallo lieber Samuel,
    deine Reise und deine Berichte sind echt der Wahnsinn. Ich würde mich das alles nie im Leben alleine trauen; deshalb sind wir ja auch immer zu zweit unterwegs. Aber du machst so viele tolle Erfahrungen und ich lese immer begeister mit wenn wieder neue Dinge geschehen. Dass du inzwischen schon im Iran bist, ganz schön weit sogar, sehe ich immer an deinem Reiseroutenverlauf. Ich wollte mich eigentlich viel häufiger melden, aber jetzt sitze ich hier schon wieder in meinem Notdienst und bemerke wie schnell die Zeit vergeht.
    Bei uns ist es zur Zeit herbstlich trübe mit Morgennebel und nur gelegentlichem Sonnenschein. Aber wenn die Sonne mal da ist fühlt man sich in der Pfalz fast ein wenig wie in Canada beim Indian Summer.
    Unser Tandem steht arbeitsbedingt viel zu viel in der Garage. Christof plant die nächste Tour und ich lese deinen Blog damit ich nicht trübsinnig werde.
    Nein, nein so schlimm ist es noch nicht.
    Dein Blog macht aber wirklich richtig Spaß.
    Ganz herzliche Grüße von Carola und Christof mit dem Tandem

    • Hallo ihr Beiden!

      Schön, dass mein Bloh so gut gefällt. Bei mir im Iran war es jetzt auch lange sehr trüb, fast immer nur bewölkt. Erst jetzt, wo es langsam nach Esfahan ging, kam die Sonne raus und es wird nun auch spürbar wärmer Richtung Süden. Das kommt mir gerade recht, bin ich doch weiter nördlich in den Schnee gekommen.
      Ansonten genießt den Herbst! Ich finde diese Jahreszeit ja ganz gut. 🙂

      Beste Grüße aus dem Iran

      Samuel

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