Am nächsten Morgen wache ich auf und höre das Prasseln von Regentropfen auf meiner Zeltplane. Na super! Ich warte eine Weile, bis der Regen erstmal Ruhe gibt und packe mein Zeug zusammen. Der Regen gibt aber nicht lange Ruhe. Als ich weiter fahre schwankt das Wetter zwischen schaudern und schütten bis nieseln und tröpfeln. Bloß trocken, das ist es fast nie. Zudem wird es immer kälter. Das ist ein Problem, da wenn ich kurz Pause mache, mein Schweiß bald so kalt wird, dass ich gleich richtig zu frieren beginne.

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Doch nicht alles ist so schlecht. Neben diesen ganzen Unannehmlichkeiten verpasse ich fast die Schönheit die mich umgibt. Ich fahre auf einer kleinen romantische Straße durch ein über und über grünes Tal. Ein kleiner Fluss schlängelt sich aus den Bergen Richtung Meer, seine Fluten sind dunkelbraun, aufgewühlt vom vielen Regen der letzten Tage. Und auf den Straßen ziehen gelassen und in unsäglicher Ruhe die Kuhherden entlang. Manchmal sogar ohne sichtbaren Hirten und ich frage mich, wie man da auseinanderhalten kann, wem welche Kuh gehört.

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Den Tag über, geht es nur leicht bergauf, erste gegen Abend steigt die Straße dann auf einmal steil an, auf 900 Meter. Ich bin eh schon erschöpft und das gibt mir fast den Rest. Gottseidank habe ich noch ein bisschen Babynahrung und so sind die letzten Meter heute Powerd bei Babybrei.

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Nach der Steigung erreiche ich ein Dorf namens Khulo. Dort checke ich in das erst beste Hotel ein. Bei dem Regen schlafe ich heute nicht draußen, ich will morgen nicht in meiner nassen Kleidung weiterfahren. Das Hotel ist relativ klein und wird von einem sich ständig zankendem Ehepaar geführt.

Was ich rückblickend heute gemerkt habe ist, dass ich die Gastfreundschaft der Türken etwas vermisse. Dort wurde man fast ständig angesprochen oder auf einen Cay eingeladen. Hier in Georgien sind die Leute etwas zurückhaltender, nicht unfreundlich, aber eben nicht so offen. Nunja, im Iran wird sich das Ganze wieder um 180° drehen.

Für den nächsten Tag habe ich das Ziel, den Pass zu überqueren. Doch mir wird erstmal ein Stein in den Weg gelegt. Ich habe meinen ersten Platten. Verdammt! Ich repariere das Ganze an einer Autowerkstatt, dort gibt es eine gute Luftpumpe. Einerseits ist es ja toll, dass mein erster Platte erst nach 4000 Kilometer auftritt, andererseits rückt so das Ziel, den Pass heute noch zu schaffen in größere Entfernung. Als ich alles gefixt habe ist es nämlich schon 12:00.

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Dann muss ich eben schauen, wie weit ich heute noch komme. Ich esse noch kurz in einem kleinen Lokal zu Mittag, dann fahre ich los. Mir wurde schon angekündigt, dass die Straße nach Khulo schlechter wird. Aber so schlecht, wie ich sie vorfinde hätte ich es nicht erwartet.

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Bei besagter Straße handelt es sich ab Khulo nämlich um eine Matschpiste, vom tagelangen Regen aufgeweicht und mit lauter Schlaglöchern übersehen. Und von Khulo bis zum höchsten Punkt des Passes sind es noch 38 Kilometer! Nach den ersten paar Metern bin ich total demotiviert.

Aber da gibt es einen Lichtblick! Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Wolken reißen auf und die Sonne kommt heraus! Wunderbar! Auf einmal kommt wieder Energie in die Sache und ich strample und strample und beginne es richtig zu genießen. Je höher ich komme, desto schöner wird das Landschaftsbild. Nach einer Weile geht der Laubwald in den Nadelwald über und es beginnt mehr und mehr dem lieblichen Bild der Heimat ähnlich zu sehen.

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So geht es über Stunden hinweg bergauf und irgendwann bin ich auf fast 1700 Meter angekommen. Mir fehlen also noch 400 Höhenmeter. Da machen sich weiter vorne im Tal dunkle Regenwolken bemerkbar. Zudem ist für heute Gewitter angekündigt. Was mach ich jetzt nur? Ich will nicht wieder in ein Gewitter kommen.

Während ich weiterfahre, überlege ich und bemerke eine Dame mittleren Alters, die gerade aus ihrem Garten kommt. Ich grüße freundlich und wir beginnen ein Gespräch. Erst wissen wir nicht recht, wie wir uns verständigen sollen, aber nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass sie früher Deutschlehrerin war. Was ein Glück! Im hintersten Eck von Georgien treffe ich eine Deutschlehrerin! Wir kommen schnell auf die nahenden Regenwolken zu sprechen. Sie meint, dass es oben auf dem Pass ein Hotel gäbe, da dies hier ein beliebtes Skigebiet sei. Das hört sich gut an, aber ich habe keine Chance mehr, dort noch rechtzeitig hochzukommen.

Die Deutschlehrerin will mir deswegen eine Mitfahrgelegenheit sichern. Sie beginnt jedes passierende Fahrzeug anzuhalten und um diesen Gefallen zu bitten. Es bildet sich eine richtige kleine Schlange vor ihrem Haus. Nach einer Weile ist dann jemand gefunden. Für 25 Lari erklären sich zwei Männer bereit, mich auf den Pass zu kutschieren. Sie sagen, soviel würde der Sprit bis dort oben kosten.

Aufgrund der dunklen Wolken komme ich zu dem Entschluss, dass diese knapp 10€ gut investiert sind. Wir laden mein Fahrrad also in ein Auto ein. Und in was für eins. Das Auto, oder besser der Jeep, sieht aus wie eine alter Militärjeep aus sowjetischen Zeiten. Alles sieht für das verwöhnte westliche Auge etwas antik aus.

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Nachdem ich mich von der hilfsbereiten Deutschlehrerin verabschiedet habe, geht es los. Der Weg zum Pass ist steinig und steil. Ich werde auf meinem Sitz hin- und hergeworfen, der Motor dröhnt und der Geruch von Abgasen steigt in meine Nase. Aber ich genieße es. Denn es fühlt sich an wie ein Abenteuer. Ich muss sogar regelrecht schmunzeln, als ich überlege, dass ich gerade 4000 Kilometer von zuhause entfernt, irgendwo mitten in Georgien, in einem alten sowjetischen Militärjeep sitze, mit Leuten, die ich gerade erst kennen gelernt habe und einen steilen Pass hochgefahren werde.

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Der Fahrer nimmt alles ganz lässig. Während der Fahrt telefoniert er mehrmals und auch, als wir deswegen fast vom Weg abkommen, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Die lustigste Szene ist, als er beim Telefonieren emotional mit den Händen zum Fuchteln beginnt und sein Beifahrer das Steuer übernimmt.

Die Fahrt nach oben dauert länger, als ich dachte. Oben angekommen, erwartet mich dann aber das Hotel. Die beiden Männer setzten mich dort ab und ich verabschiede mich dankbar. Ich bekomme für 20 Lewi ein Zimmer. Im Hotel sind drei Angestellt anwesend und ich bin heute der einzige Gast. So kümmern sich alle um mein Wohlergehen. So ist es recht. 😉 Zum Abend gibt es noch eine warme Suppe, dann geht es zu Bette. Sogar mit zwei Decken, denn es ist wirklich kalt hier oben. Hier und da liegen sogar noch Schneereste von vor ein paar Tagen.

Datum: 12. Oktober 2015 - 13. Oktober 2015

2 Kommentare

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  • Hi Samuel,
    wir fragen uns, wie Du Dich jetzt fühlst. Du bist ja schon lange unterwegs, wie ist es mit dem alleinsein? Die Videos sind klasse. Dänemark war für die Kids prima, ich bin gerade auf Rückzug. Sonst läuft hier alles normal. Wanja und Raphael schicken Grüße. Alles Gute und is bald, Sandra T.

    • Das Alleinsein geht mittlerweile total. Schön, dass euch die Videos gefallen, da kommt jetzt eins jeden Donnerstag. Im Fünften gibt es aber eine Szene, die die Kinder vielleicht nicht sehen sollen. Habe aber einen Überspringen-Button eingebaut.

      Liebe Grüße

      Samuel

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