Nachdem ich Schazand verlassen habe, geht es weiter Richtung Esfahan durch ein kleines Tal. Als ich zurück blicke, bemerke ich nahende Regenwolken. Bah! Das Wetter brauche ich jetzt nicht und trete kräftig in die Pedale um dem Regen davon zu fahren.
So düse ich dahin, doch nach ein paar Minuten werde ich von einem Auto angehalten. Der Fahrer will mich unbedingt zum Essen einladen. Wieder und wieder muss ich sein Angebot abschlagen, da ich noch voran und nicht in den Regen kommen will. Nach einer Weile gibt er dann auf.
Dachte ich zu mindestens. Denn kurze Zeit später hält er wieder neben mir und hält mir ein Sandwich hin. Nach dem Motto, wenn du nicht zum Essen kommen kannst, dann kommt das Essen eben zu dir. Ich habe schon viel Gastfreundschaft erlebt, aber da bin selbst ich baff.
Für den restlichen Tag verfalle ich in ein schönes Tempo, richtig zügig geht es durch die Landschaft, bis ich, bereits eine Stunde früher als geplant, die Stadt Khomein erreiche. Ich bin gerade erst dabei hinein zu fahren, da werde ich schon von einem Mopedfahrer gestoppt und zum Übernachten eingeladen.
Bei ihm zuhause stellt sich dann heraus, dass er Muay Thai trainiert. Da erzähle ich natürlich, dass ich Taekwondo kann, worauf er meint, dass heute Abend Training ist und ich doch mittrainieren kann. „Nach 120 Kilometer?“, ist mein erster Gedanke. Ich komme aber trotzdem mit und letztendlich tut mir das Training dann doch wunderbar gut, allein schon deswegen, da wieder mal ein paar Muskeln in Bewegung sind, die es schon lange nicht mehr waren. Der Trainer nimmt sich sogar extra Zeit um mich zu trainieren. Die Handtechniken sind dabei recht ungewohnt, dafür kann ich bei den Beintechniken punkten. Am Ende kämpfe ich sogar noch gegen einen Muay Thai Kämpfer und einen Kung-Fu Kämpfer, der dort auch trainiert.
Am nächsten Morgen geht es dann weiter. Anfangs noch einen Berg hoch und auf der anderen Seite stoße ich dann auf starken Gegenwind. Aber nicht lange. Die Straße dreht sich bald um 120° und für den restlichen Tag fegt mich der Wind voran, weiter, immer weiter in ein Tal hinein.
Und dieses Tal ist an Schönheit kaum zu überbieten. Eine wüstenartige Steppe zieht sich durch das Tal, die links und rechts in der Entfernung von hohen, sandfarbenen Bergen eingeschlossen wird. Heiß scheint die Mittags- und später Nachmittagssonne auf verdorrte und vertrocknete Sträucher, die dort mal dichter, mal weniger dicht wuchern. Die Landschaftskulisse wird noch von den traditionellen, kleinen Dörfern untermalt. Sandfarben, mit Innenhof und nur einem Erdgeschoss. Ein bisschen scheint es fast, als wäre die Zeit hier stehen geblieben. Das Ganze bekommt nochmal einen ganz neuen Reiz, als der Abend die Szenerie dann in sein warmes, orangefarbenes Licht taucht. Herrlich!
In der Dämmerung erreich ich eine Stadt. Ich stelle mich auf den Hauptplatz um die Lage zu sondieren und nach einer Weile hat sich eine kleine Menge um mich gescharrt. Der Lauteste unter ihnen lädt mich dann ein, ein junger Mann mit langem, dichtem schwarzen Haar. Seine zwei Augen schauen unter dieser Mähne lustig, funkelnd heraus. Und lustig ist auch das Stichwort. Denn irgendwie ist immer alles für ihn lustig. So viel habe ich selten Menschen lachen sehen.
Zusammen mit seinem Bruder geht es am Abend auf Motorrädern durch die Stadt. Wir fahren hier hin und dort hin und treffen so einige Leute. Am besten komme ich mit ihrem Cousin klar, der spricht nämlich perfekt Englisch. Später geht es dann noch zum Wasserpfeife rauchen mit ein paar Englischlehren.
Am nächsten Tag zeigt er mir dann noch die Schule der Stadt und ich setze mich für eine halbe Stunde mit Lehrern und Direktor in das Lehrerzimmer. Ein Geschmack aus meiner Schulzeit schwebt für mich in der Luft.
Für heute habe ich vorgesehen bis Esfahan zu kommen. Und die Zeichen stehen gut. Fast komplett flach führt mich die Straße bis zu meinem Ziel. Nur einmal werde ich kurz von der Polizei angehalten. Als diese aber sieht, dass ich, nach typisch deutscher Manier, eine Plastikverpackung aufbewahre, um sie später wegzuschmeißen, sind sie so fröhlich, dass sie mich ungestört ziehen lassen. Und dann gab es noch diesen Mann, der mir am Stadteingang gesagt hat: „I love gay, I love sex!“ Noch ein Kommentar nötig?
In Esfahan angekommen, halte ich nach einer Weile um auf meine Karte zu schauen. Ein glücklicher Umstand, da ich vor einem Language Institute halte. Ein Englischlehrer wird auf mich aufmerksam und lädt mich prompt zum Übernachten ein. Ich muss nur warten, bis sein Lehrstunde um ist.
Ich mache es mir in einem Park bequem, da scheppert es hinter einer Hecke. Was war das? Ich laufe hin und sehe ein, von einem Auto überrolltes, Motorrad, der Fahrer liegt regungslos daneben. Nach kurzer Zeit schert sich eine Menge um das Geschehen und der Krankenwagen kommt. Ich verlasse den Unfallsort und verfalle in Gedanken.
Wie schnell das Leben doch vorbei sein kann, wie vergänglich es doch ist. So vergänglich, fast wie ein Traum. Was bleibt von all den Anstrengungen, unseren Mühen, dem Erreichten? Ein Strich zwischen Geburtsdatum und Sterbedatum. Zählen Erfahrungen nicht so viel mehr als Status?
Da der Englischlehrer müde ist, kann er mich heute doch nicht hosten. Aber viel besser, er hat zwei seiner Schülerinnen gefragt, beide in meinem Alter. Wer sagt da nicht ja?
Anfangs habe ich zwar noch Bedenken, dass das Ganze eine Masche ist, aber schnell stellt es sich anders heraus. Wir gehen am Abend noch unter den prüfenden Augen der Mutter einer der Mädchen etwas essen. Am nächsten Tag können wir dann zu dritt etwas unternehmen. Zusammen fahren wir im Auto durch Esfahan und die Beiden zeigen mir die Stadt. Wir haben wahnsinnig viel Spaß und verstehen uns sehr gut. Was ein Glück, dass ich zufälligerweise vor dem Language Institute gehalten habe. Am Abend bevor ich fahre laden sie noch drei weitere Freunde ein und wir verbringen den Abend zu fünft. Vielen Dank für die Gute Zeit.
Datum: 5. November 2015 - 10. November 2015
Lieber Samuel !
Ich lese heute deinen blog zum ersten Mal , aufmerksam geworden auf Frederiks facebook-Seite. Ich bin eine Freundin von deiner Tante Dorothee, seit frühesten Lindauer Zeiten .
Ich finde deine Aktion sehr mutig , wünsche dir Gottes Segen auf jedem Kilometer !
Du wirst dein ganzes Leben lang von dieser Tour profitieren . Es wird dich bereichern . Weiter so !
Susanne , Südfrankreich
Hallo Susanne und willkommen! Ich freue mich, dass du den Weg auf meinen Blog gefunden hast. 🙂
Beste Grüße
Samuel
Hey Brüderchen,
ganz liebe Grüße und frohe Weihnachten auch noch mir. 😀 Auch einen guten Rutsch ins neue Jahr, wo auch immer du da sein wirst! 🙂
Es ist schön zu lesen, dass du immer mehr „Reiseroutine“ bekommst. Ich glaube das erleichtert dir vieles. Und trotzdem erlebst du jeden Tag etwas Neues. Da werd selbst ich ein bisschen neidisch. 😉 Diese Erfahrungen kann dir keiner mehr nehmen und du wirst dein ganzes Leben lang davon profitieren. Also genieß es großer Bruder ! 😀
Hab dich lieb 🙂
Tamara
Danke Tamara. 🙂 Dir einen guten Rutsch, bin gerade noch in Tirumvannalei.
Hab dich auch lieb
Samuel
Hi Samuel,
Deine Schwester (die Juristin) hat mir begeistert von Deiner Reise erzählt. Habe ich natürlich mal in Deinen Blog geschaut – und Sie hat vollkommen recht, großartige Reise und toller Blog.
Ich wünsche Dir noch viele interessante Menschen und viel Glück auf Deinem Weg.
Viele Grüße
Danke für das Lob! 🙂
Beste Grüße
Samuel
Hallo Samuel,
mich würde mal interessieren, inwieweit es möglich war, dich von zwei Mädchen durch die Stadt führen zu lassen. Hast du da böse Blicke abbekommen? Die Rechte und Freiheit von Frauen und der Umgang mit diesen ist im Iran ja leider sehr eingeschränkt und schwierig. War das für dich keine heikle Situation?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Liebe Grüße,
Janis
Hallo Janis,
so ernst ist es nicht. Es ist „theoretisch“ verboten, dass sich Mädchen und Jungen treffen. Es ist auch „theoretisch“ Pflicht, dass alle Frauen das Kopftuch bis zum Haaransatz tragen. Beide Regeln brechen heute viele Iraner und es interessiert eigentlich keinen. Die drei Tage hat uns deswegen auch keiner komisch angeschaut.
Liebe Grüße
Samuel