Viereinhalb Monate sind seit meinem Aufbruch vergangen. Mein Boxenstopp in Dubai und Sri Lanka markiert die Halbzeit meiner Reise. Lasst mich deswegen ein Resümee der letzten 6800 Kilometer ziehen. Hat die Reise mich verändert? Habe ich gefunden, wonach ich gesucht habe?

Nun denn, lasst uns beginnen.

 

Auf der einen Seite hat mich diese Tour verändert. Die letzten Wochen waren prägend für Geist und Persönlichkeit. Wie ich noch in einem meiner ersten Artikel geschrieben habe, fiel es mir anfangs schwer alles hinter mir zu lassen. Viel Trauer und Kummer habe ich gefühlt, nicht nur alles Bekannte zuhause lassen, aber auch, ein jedes Mal, kurzfristige Erscheinungen gehen zu lassen. Mein Geist hing sowohl an meinem früheren Umfeld, Freunden und Familie, als auch an Unmittelbarerem, wie meinen letzten Mitreisenden oder einem Ort, an dem ich mich besonders wohl gefühlt habe.

In diesem Bereich gab es eine Veränderung. Ich kann nun viele Sachen besser kommen und gehen lassen und mit dem natürlichen Fluss gehen. Ein Geist wie Wasser, so heißt es im Zen. Mehr und mehr geht es für mich in diese Richtung. Dies wirkt sich auch auf Vorstellungen und Ideen aus. Geht es mal anders als gedacht weiter oder funktioniert etwas nicht wie geplant, ist das nun eben so und die damit verbundenen Emotionen kann ich oftmals bei ihrem Kommen und Gehen beobachten.

Auf der anderen Seite, gab es aber auch keine Veränderung. Es fühl sich immer noch alles an wie früher, wie zuvor. Unter den Wellen von Geist und Persönlichkeit gibt es noch etwas, was seit eh und je in seinem ursprünglichen Zustand ruht. Die Wogen dieser Welt scheinen dem nichts anzuhaben.

 

Viele glauben, denke ich, dass es bestimmt ganz besonders sein muss auf dieser Radreise, dass es eine Herausforderung ist, dass ich stolz auf mich sein kann. Ich möchte damit gerne aufräumen. Die erste Woche war die Reise noch physisch anstrengend, den ersten Monat noch mental. Mittlerweile ist das Ganze alltäglich, nicht anstrengender, herausfordernder oder bewundernswerter als der wöchentliche Einkauf im Supermarkt. Und so wie ich auch nicht besonders stolz auf mich bin einkaufen zu gehen (oder besonders viel Mut dazu brauche), bin ich es auch jetzt nicht.

 

So viel dazu. Doch was habe ich gefunden? Freiheit? Mit Nichten.

In meinem ersten Artikel habe ich geschrieben, ich möchte erfahren, was Leben ist und was Freiheit ist. Heute hat mich die Illusion, ich könnte dies durch meine Radreise tun, verlassen. Leben umgibt einen immer und stets. Und Freiheit ist nicht im Außen zu finden. Für mich bedeutet Freiheit nicht mehr, dahin gehen zu können, wohin ich will oder das machen zu können, was ich mag. Selbst wenn einem dies Ganz und Völlig möglich wäre, wäre man immer noch gefangen. Gefangen in seinen eigenen Vorstellungen, in seinen Ideen und Idealen, in Ideologien, Behauptungen, Perspektiven, Vorurteilen und Hypothesen. Und diese wachsen oder schwinden unabhängig vom Kilometerzähler.

Das soll aber nicht heißen, dass man nicht frei sein kann. Man muss aber den Fokus von außen nach innen legen. Und diese Reise ist zwar viel subtiler, aber deswegen nicht weniger spannend. Ihr Spektrum reicht von Momenten in gedankenloser Stille zu Momenten in denen man nicht weiß, was gerade passiert und nicht weiß, wer nicht weiß, was gerade passiert.

Des Weiteren habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass auch Glück nicht auf einer solchen Reise zu finden ist. Darüber war ich mir zwar schon davor im Klaren, nun ist das aber auch in meiner eigenen Erfahrung fundiert.

Das einzige, was ich gefunden habe, hatte ich auch schon zuvor, nämlich ich. Egal, wo ich hinkomme, wo ich hingehe, immer und überall finde ich mich, bin ich. Das Ich scheint das einzig Kontinuierliche im Fluss der Zeit zu sein.

 

Somit möchte ich damit schließen, dass hier nichts zu finden ist, was nicht auch schon davor da war. Es gibt nichts hinzuzufügen, nichts was man addieren könnte, nichts zu gewinnen. Wohin man geht findet man sich selbst. Frei wird man nicht durch Neues. Frei wird man, wenn man verliert. Wenn man seine Vorstellungen über diese Welt verliert.

 

Anmerkung: Ich teile nur von meinem momentanen Standpunkt. Und der befindet sich in Bewegung. Was mir also heute noch so klar und richtig erscheint, mag sich vielleicht schon morgen als reine Fiktion und Utopie herausstellen.

 

Was denkt ihr denn über das Thema Freiheit? Kann man frei sein?

 

Edit: Das bedeutet nicht, das die Reise keinen Spaß mehr macht! Das Gegenteil ist der Fall, es ist bloß anders als anfangs gedacht.

10 Kommentare

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  • Hallo Samuel, deine Zwischenbilanz klingt fast ein bißchen desillusioniert und halb traurig. Man wills als jemand, der schon ein paar mehr Jahre auf dem Buckel hat, ja nicht so von oben herab sagen, aber „Freiheit“pur ist eine der Totschlagabstraktionen, nach der die Menschheit ewig suchen kann. Irgendwie scheint es immer um „Freiheit von“ zu gehen und da hast du doch einiges vorzuweisen, angefangen von Freiheit von blöden Vorurteilen, von materieller Not, ….. Mit allen anderen Zwängen wirst du dich schon zuhause auseiandersetzen müssen, fürchte ich, denn die sind halt jeweils konkret.
    Ich, wir, bedanken uns jedenfalls für die unterhaltsamen Berichte und freuen uns auf die 2. Hälfte. Fahr bloß weiter. Christian Saling

    • Hallo Herr Saling,

      weiter fahren werde ich sicher. Es macht immer noch wahnsinnig Spaß und die Erfahrungen sind es alle mal wert. Bloß anders, als ich es mir anfangs vorgestellt habe.
      Zu Freiheit: ich habe bloß gedacht, dass die Radreise ein Gefühl von Freiheit hervor rufen würde. Das war so vor Jahren, als ich mal zu meinem Großonkel gefahren bin. Ich habe jetzt halt bemerkt, dass ich immer noch an allem Möglichen hänge. Und ich glaube schon, dass man frei sein kann in dem Bezug, dass man an nichts mehr hängt. Man mag vielleicht immernoch Verpflichtungen oder andere Zwänge haben, aber kann trotzdem von diesen in gewisser Weise (psycholgisch) frei sein und dadurch nicht mehr leiden. In diesem Punkt spricht wohl der (Zen) Buddhist aus mir.

      Auf jeden Fall kommen bald noch viele Berichte und Videos aus dem Iran und dann Indien.

      Beste Grüße

      Samuel

  • Hallo Samuel, hängen tu ich immer dann an was/wem, wenn sich ein Bedürfnis danach/nach ihm-ihr einstelt. Soll ich das „An-etwas/jemandem Hängen“ deswegen bleiben lassen, weil sich vielleicht ein Verlust oder anderes Leiden einstellen könnte? Hätte ich in deinem Alter angefangen „frei“ sein zu wollen, wären mir aber ganz schön viele Lebensgenüsse durch die Lappen gegangen, dann hätte ich mich auf dies und das und jene gar nicht eingelassen. Noch ein Beispiel aus der Welt des ach so Banalen , der bösen Welt des Materiellen: Mittlerweile fahre ich ein ziemlich bequemes Auto. Würde ich es zu Schrott fahren, täte ich mich schön ärgern. Ich bin in der Hinsicht „unfrei“ gewesen, dass ich versucht habe ein hübsches Sümmchen zusammen zu sparen, um mir die Karre kaufen zu können. Klar, gings hart auf hart, tät’s auch ein VW-Lupo. Aber ein wenig Reisen, möchte ich schon können. Da muss ich unfrei sein, sonst höre ich vor lauter Verzicht auf ein Mensch zu sein, aber dann wenigstens frei.
    Lieber Samuel, wir können die Debatte gerne fortführen, wenn du wieder hier bist. Ich entwickle zum Wohle meiner Frau gerade meine Kochkünste weiter – du bist auf eine Rote-Beete Quiche eingeladen. Christian Saling

    • Hallo Herr Saling,

      die Einladung nehme ich gerne an, wenn ich wieder da bin, melde ich mich.

      Zu den Beispielen: Ich denke, man kann sich das Auto kaufen und trotzdem frei sein. Und falls man es zu Schrott fährt, muss man sich ja nicht ärgern, das hilft einem ja dann auch nicht mehr weiter. Ich bin nicht für Verzicht, damit würde man sich nur wieder an ein Konzept ketten. Ich denke man soll alles so erleben, wie man mag und sich das leisten, was man schätzt, aber das heißt ja nicht, dass ich daran hängen muss.

      Beste Grüße

      Samuel

  • Hallo Samuel,
    gefällt mir absolut – dein Resumee! Wunderbare Einsichten, für mich überhaupt nicht traurig, eher er-lösend. Ich selbst habe gerade eine sehr erfüllende Zeit dank eines Selbstexperimentes, das ich begonnen habe. Ähnelt deiner Reise – nur eben innen. Mal sehen, ob ich die nächsten Tage Zeit finde, dir davon zu schreiben? Ich schätze, deine Sehnsucht nach Freiheit und der unbedingte Wille, deine eigene Wahrheit zu finden, werden dich an dein Ziel führen, das wohl weder in der Zukunft noch in fernen Ländern liegt …
    Genieße jeden Augenblick!
    Liebe Grüße
    Lutz

  • Lieber Samuel,

    du weißt, dass ich weiß, welche Freiheit du suchst.

    Es wird sicher interessant nach deiner Reise wieder
    mal persönlich miteinander zu reden.

    mach’s weiterhin gut und geh‘ tapfer weiter deinen Weg.

    Gruß, Günter Sedlmeier

  • Lieber Samuel

    Ich mag deine Youtube Videos und lese dein Blogg mit grossem intresse. Du schreibst sehr spannend über die Reise aber auch über deine Gefühle.

    Respekt! Was du schon alles gemacht hast!

    In der Bibel steht sehr, sehr viel über die Freiheit.

    Hier einen Vers aus Johannes 8.36

    „Wenn euch also der Sohn Gottes befreit, dann seid ihr wirklich frei.“

    Hinter diesem Vers kann ich stehen, ich denke es ist die einzige möglichkeit Frei zu sein. Alles auf dieser Erde ist vergänglich, sei es Materielles, Beziehungen oder Erlebnisse, nur bei Gott gibt es die Ewigkeit.

    Grüsse
    J.

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