Heute mal ein etwas anderer Blogartikel. Wie sieht es innerlich aus? Ist meine Radreise das süße Leben schlechthin? Die Antwort ist: keinesfalls.

Seit meinem Aufbruch sind nun etwa drei Wochen ins Land gezogen. Von diesen drei Wochen konnte ich bisher nur einen kleinen Teil genießen. Warum? In einem früheren Blogartikel habe ich bereits über ein Gefühl der Einsamkeit geschrieben. Mittlerweile bin ich aber zum Entschluss gekommen, dass der Haken wo anders hängt.

Als ich losfuhr, habe ich von einem auf den anderen Tag alles Bekannte zurückgelassen. Es fielen Freunde, Familie, das gewohnte Umfeld, das Zuhause und ein Großteil des Komforts einfach weg. All das vermisse ich nun. Es hinterlässt eine Lücke und diese Lücke kann ich nicht füllen. Nicht auf dieser Reise. An den meisten Orten bleibe ich kaum länger als fünf Minuten. Das längste sind zwei bis drei Tage. In diesem Zeitraum kann ich keine Freunde finden oder mir ein neues Umfeld, ein neues Zuhause aufbauen. So bleibt diese Lücke ungefüllt, klaffend offen und es gibt keinen Ersatz, der mich davon ablenkt. Die Gedanken beginnen dann oft um vergangene Zeiten zu kreisen, ich rufe Erinnerungen hoch, schwelge in ihnen und am Schluss tun sie dann doch wieder weh, da man sie nicht fest halten kann. Es sind Erinnerungen aus Kindheit und Jugend, an Freunde und Familie, an bekannte Gerüche, vertraute Umgebungen oder subtile Gefühle. Anfangs schmecken diese Erinnerungen süß, im Abgang sind sie dann aber traurig bitter.

Und doch wäre es so einfach, so leicht sich von all dem zu befreien. Ich müsste es einfach nur loslassen. Ich kann es klar vor mir sehen. Nur eine Haarbreite, ein kleiner Schritt trennt mich davon. Es fühlt sich an, wie ein dünnes Band, gegen das ich mich lehnen kann und noch einen Schritt weiter, ein paar Zentimeter vielleicht und es würde reißen, wäre durchtrennt, ich hätte losgelassen. Doch dieser kleine Schritt, diese Zentimeter, ich will sie nicht gehen, ich schaffe es noch nicht. Ich verhafte zu sehr an dem Alten, Vergangenen, an meinen süßen, schönen Erinnerungen.

Dazu kommt noch, dass ich meine Reise nicht als eine Auszeit, nicht als eine Pause von meinem Leben zuhause sehen kann. Denn dieses ist sich am Auflösen. Die Schulzeit ist vorbei, Freunde verstreuen sich und wenn ich zurückkomme wird alles anders sein, als es mal war. Somit ist meine Reise auch gleichzeitig eine Reise ins Ungewisse.

Ist das nun ein Grund abzubrechen? Nein. Ich wusste, dass die Tour eine mentale Herausforderung werden würde. Ich wusste es und habe es auch deswegen gewählt. Nach meiner Depression habe ich eines erkannt. Es gab drei Wege zu begehen. Einer führte tiefer in die Depression, einer führte wieder zurück, zum Stand der Dinge davor. Und einer ging darüber hinaus. Es war der Weg von Wachstum und Erkenntnis und die Depression war eine Möglichkeit zu wachsen und zu erkennen. Ich habe damals erkannt, wie meine Gedanken meine Depression verursachten und dadurch bin ich darüber hinausgewachsen. Ich wäre heute nicht der, der ich jetzt bin ohne diese Erfahrung. Und ich bin sehr froh darüber, wo ich jetzt bin und deswegen auch dankbar für diese Erfahrung. Damals habe ich mir vorgenommen so auch kommenden Problemen zu begegnen. Dann gibt es keine Probleme mehr und ich bin fest davon überzeugt, dass das, was wir als Probleme bezeichnen eine Stütze werden kann, unseren Weg zu finden und zu gehen.

So, jetzt mache ich aber Schluss für heute. Und wer jetzt Angst hat, ich würde meine Tour ohne Verluste durchziehen wollen, den kann ich beruhigen. Wenn dir richtigen Gründen auftreten bin auch ich so vernünftig und beende, was besser nicht fortgeführt werden sollte. Doch ob diese Gründe jemals kommen sollten, steht noch in den Sternen.

7 Kommentare

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  • Lieber Samuel,

    überfordere dich nicht! Das Loslassen kannst du nicht erzwingen! Sei freundlich zu dir, deiner Einsamkeit und den Erinnerungen. Lächle ihnen freundlich zu und lebe deinen Alltag als „Weltreisender“. Das was sich ergeben soll ergibt sich dann von selbst.
    Mach‘ es weiterhin gut und pass auf dich auf. Ich freue mich immer, wenn ich wieder etwas von dir lese!

    Herzliche Grüße, Günter Sedlmeier

  • Lieber Samuel
    Ich freue mich über deinen letzten Kommentar. Er zeigt mir, dass es anderen auch so ergehen kann wie mir. Nun, beim Versuch Gedanken wegzustecken die dich stören, wirst du immer der Verlierer sein. Gedanken lassen sich nie verscheuchen! Es wartet noch harte Arbeit auf dich, die Hälfte davon hast du schon gemacht weil du so präzise dich darüber äussern kannst. Die zweite Hälfte kannst du schaffen, wenn du die Gedanken zulässt, ihnen aber eine Alternative gegenüber stellst, die für dich erstrebenswerter scheint. Kopfarbeit ist nicht weniger anstrengend als die physische, im Gegenteil!
    Was du jetzt durchmachst ist eine hervorragende Schule, das Vergängliche zu entdecken. Nur der Stolz über das geschafene, die allgemeinen Erfahrungen und die über sich selber bleiben unvergänglich. Daraus wirst du ein Leben lang Kraft schöpfen können.
    Gib nicht auf, es sei denn, du seiest in Gefahr, da würde ich kein Risiko eingehen.
    Ich wünsche dir eine erlebnisreiche Weiterfahrt.
    Hans-Ueli

    • Lieber Hans-Ueli,
      es stimmt, das mit den Gedanken wegstecken konnte ich in letzter Zeit erfahren. Ich versuche den jetztigen Moment so zu aktzeptieren, wie er ist und die Gedanken sind ja auch ein Teil davon.
      Vielen Dank für den Kommentar, er enthält viel Tiefe und ich fand ihn sehr inspirierend!

      LG Samuel

  • Das war der bisher mit Abstand spannendste Reisebericht von dir! Du machst gerade sehr essenzielle Erfahrungen, die m.E. jeder früher oder später in irgendeiner Form macht, denen die meisten Menschen aber unter allen Umständen auszuweichen versuchen. Ohne sie sind für mich aber Selbsterkenntnis, innere Freiheit und Selbstvertauen nicht möglich …
    Mich freut, wie ehrlich du mit dir selbst bist!
    Die All-Eins-amkeit ist derjenige Aspekt deiner Reise, der mich persönlich am meisten reizen würde! Eine Art von Initiation?!
    Danke fürs Teilhabenlassen
    Lutz

    • Vielen Dank! Das kann gut sein, ich werde auf jedenfall weiterhin versuchen hindurch zu gehen.
      Wenn ich das Wort Initiation richtig verstehe, denke ich ja.

      LG Samuel

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