Die Busfahrt nach Täbris dauert länger als gedacht. 17 Stunden insgesamt. Und da wir uns die meiste Zeit auf einer durch und durch löchrigen Passstraße befinden ist an Schlafen nicht zu denken. Zu mindestens die Grenzüberquerung in den Iran verläuft problemlos. Ein paar Fragen, dann werden meine Taschen kurz gescannt und das war’s.

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Jedenfalls werde ich dann um 4:00 am Morgen, total übermüdet, aus dem Bus geworfen. Dieser fährt nämlich bis Teheran weiter. Und so steh ich nun auf einem sandigen Nebenstreifen in der Dunkelheit und kein Mensch ist zu sehen.

Da ich wirklich müde bin, passiert mir beim Zusammenbauen des Fahrrads ein fataler Fehler und ich kann meinen Sattel nicht mehr einsetzten kann. Na toll. Was nun?

Nicht das Ende der Welt, denn gottseidank gibt es einen guten Fahrradladen in der Stadt. Aber es ist immer noch 4:00 am Morgen. So früh fühlt sich die Stadt fast geisterhaft an. Überall blinken Schilder, aber kein Mensch ist unterwegs. Ich warte mehrere Stunden, dann kann der Fahrradhändler das Problem zum Glück schnell beheben.

Da gerade ein besonderer Feiertag ist, gibt es bei einer Küche kostenlos für Muslime zu essen. Weiß ja keiner, dass ich das nicht bin. Gut gesättigt will danach aus Täbris starten. Ich beginne mir meinen Weg durch den Verkehr zu bahnen, doch nach zwei Kilometern hält ein Auto neben mir und das Fenster öffnet sich. Es handelt sich um zwei junge Männer, nennen wir sie Bob und John. John spricht sogar Englisch. Wir unterhalten uns eine Weile, bis sie mir anbieten, die Stadt zu zeigen. Nachdem mein Fahrrad sicher in einem nahen Laden verstaut ist, geht es los, erst zu einem See, danach zu einem Kaufhaus. Das Kaufhaus ist eher unspektakulär für Europäer, aber Iraner sind, wie auch Türken, von ihnen total begeistert.

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Jedoch stellt sich der Trip zum Kaufhaus als wahrer Glückstreffer heraus. Da ich meine Lenkertasche dabei habe, wird ein anderer Radtourist auf mich aufmerksam. Sein Name ist Carlos und da wir ähnliche Routen geplant haben, verabreden wir uns für morgen. Super!

Zudem richten die Beiden für mich mein Handy ein, laden die Sim-Karte auf und wir gehen einen Saft trinken und Mittag essen. All das geschenkt wohlgemerkt! Als sie mir dann aber noch eine Jacke für die Kälte kaufen wollen, ist mir das doch etwas zu viel.

Nach dem Mittagessen muss John für ein Stunden in die Uni. Danach sollen wir ihn wieder abholen. Was dann aber passiert, hätte ich nicht erwartet, ja, nicht mal erahnen können.

Bob fährt mich zu einem weitern, noch nicht eröffneten Kaufhaus. Und dort beginnt er mich anzumachen! Richtig gelesen! Anmachen, anschwulen, was auch immer. Seine Motive sind klar und bah…ich finde es widerlich. Ich mache ihm schnell klar, dass ich nichts von ihm will und er schaut mich nur mit großen Augen an. Mit leiser Stimme sagt er nur: „No, Samuel?“ Was zum Teufel?

Wäre John nicht gewesen, wäre ich an dieser Stelle gegangen. Mit ihm verstehe ich mich aber besser und so bin ich zwar etwas verärgert, aber besserer Dinge, als wir ihn wieder abholen.

Wir holen auch noch Bobs Freundin und eine weiter Frau ab. Ja, richtig. Der Bob, der mich vorhin zum … verführen wollte, hat eine Freundin. Ich denke mir schon gar nichts mehr, denn verstehen würde ich es wohl kaum.

Zusammen geht es dann zu einer „Hubble-Bubble-Bar“, wie sie es nennen. Es handelt sich dabei einfach um eine Wasserpfeifenbar. Ich rauche jedoch nicht, damit fange ich jetzt sicher nicht an. Und irgendwann verschwindet Bob mit seiner Freundin und dann auch John. Als Bob wieder kommt brabbelt er komisches Zeug in Farsi, ich verstehe aber immer wieder das Wort „Sex“.

Ich gehe zu John, der ja Englisch kann, und er frägt mich doch tatsächlich, ob ich Sex mit Bobs Freundin haben will? Ähm, wie bitte? Ich glaube mich verhört zu haben und frage bloß „What?“

„Do you want sex?“, ist die Antwort da wieder. Ich glaube, ich spinne oder besser, die Beiden spinnen. Wer bietet denn seine Freundin zum Sex an? Unter manchen Umständen wäre diese Blödheit ja noch lustig gewesen, aber hallo, wir befinden uns im Iran. Im Iran! Da kann so etwas im Gefängnis enden!

Das weiß ich zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht, mache aber trotzdem verärgert klar, dass ich daran kein Interesse habe. Ohne Gefühl dahinter ist das ganze wie Masturbation, bloß mit Frau statt Hand. Zu mindestens sehe ich das so.

Auf jeden Fall will ich danach nicht mehr bei den Beiden übernachten und zum Fahrrad zurück. Als es dann aber zur nächsten Hubble-Bubble-Bar geht, entschließe ich mich, ein Taxi zu nehmen. Zu meiner Verwunderung zahlen mir die Beiden das Taxi. Wie passt das denn wieder zusammen?

Mit vielen Fragen im Kopf erreiche ich ein bisschen später mein Fahrrad. Es ist schon dunkel, da spät und nun habe ich ja auch keinen Schlafplatz mehr. So fahre ich etwas ratlos umher und frage irgendwann ein paar Iraner um Rat. Sie weisen mir den Weg in Richtung eines Zeltplatzes, er ist bloß eine halbe Stunde entfernt.

Auf meinem Weg entdeckt mich dann ein weiterer, neugieriger Iraner. Er spricht mich an und da er ein bisschen Englisch kann, können wir uns verständigen. Nach einer Weile meint er, dass ich doch bei ihm übernachten könnte. Meine Erfahrung sagt mir „Ne, lieber nicht!“. Aber soll eine schlechte Erfahrung meine Sicht auf Neues trüben? Ne, lieber nicht.

Und so werfe ich mich wieder hinein in Neues, Unbekanntes. Und diesmal wird es belohnt. Mein Gastgeber ist unglaublich nett, er hat gerade eine Tochter bekommen, welche aber noch mit ihrer Mutter im Krankenhaus liegt. Er kocht mir Essen und will mich gar nicht schlafen lassen, so sehr ist er an meiner Tour interessiert. Auf jeden Fall habe ich ihm zu verdanken, dass der erste Tag im Iran doch noch ein gutes Ende nahm.

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Datum: 26. Oktober 2015

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