Nachdem ich von Sergei und Eva aufgebrochen bin, geht es erst einmal längere Zeit bergauf. Am Ende komme ich auf einer weiten Hochebene raus. Da dort oben nicht geteert wurde, komme ich erstmal etwas mehr ins Schwitzen. Dafür erlebe ich das Land aber viel expliziertet. Als ich durch ein Dorf fahre, ziehe ich eine Gruppe an neugierigen Schulkindern an, die mir eine Zeit lang hinterher rennen. Die Älteren des Dorfes sind mir gegenüber dagegen etwas verschlossen.

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Mit großen Schritten geht es danach dann Richtung Grenze. In der letzten Stadt schaffe ich es noch, meine 6-7 verbleibenden Lewis für eine 10 Lewi teure Mütze einzutauschen. Und die Mütze brauche ich dringend. Denn als die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet, wird es kalt. Sehr kalt. Ich bin ja auch schon wieder auf über 2000 Metern.

Kurz bevor ich mit der Suche nach einem Zeltplatz beginne, treffe ich noch zwei andere Reiseradfahrer in entgegengesetzte Richtung. Die Beiden stammen aus Polen und sind von Tiflis nach Jerewan und nun wieder zurück unterwegs.

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Kurze Zeit später, schlage ich mein Zelt neben einem kleinen Waldstreifen auf. Zur Ungunst der Stunde pfeift nun auch noch ein kalter Wind um meine Ohren und die Temperatur sinkt immer weiter ab. Ich verkrieche mich in mein Zelt und schlüpfe in voller Montur in meinen Schlafsack. So kalt ist es mittlerweile. Nur die Nasenspitze zeigt die Nacht über noch aus meinem Schlafsack.

Als ich am Morgen dann aufwache sind die Zeltwände gefroren. Zum ersten Mal auf meiner Reise, bin ich darüber froh, dass mein Schlafsack seine Komforttemperatur im Bereich 10 bis -10 Grad hat.

Ich packe mein knirschendes Zelt zusammen und breche auf. Es ist zwar eiskalt, aber als sich der Nebel lüftet, erstreckt sich eine Landschaft von berührende Schönheit vor meinen Augen. Es ist herrlich. Unter klarem blauem Himmel, erstreckt sich eine weite Steppe, eingerahmt von Schnee bedeckten Gipfeln. Gefrorener Tau glitzert auf den Gräsern und alle paar Kilometer ziehen dichte Nebelschwaden knapp über den Boden.

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Staunend fahre ich und vergesse darüber sogar meine gefrorrenen Zehen. So bin ich im Nu an der Grenze angekommen. Ich reiche meinen Reisepass und komme problemlos weiter.

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Auch auf armenischer Seite werde ich ohne Probleme durchgelassen. Ich setzte meinen Weg fort, aber erst einmal werden die Straßen schlechter. Das geht sogar so weit, dass alle Autos rechts neben der Fahrbahn fahren. Ich kann mich aber problemlos um die Schlaglöcher schlängeln und habe so die Straße für mich.

Die Faszination für die Landschaft hält mich aber auch in Armenien fest im Griff. Tageszeitbedingt lässt sie zwar irgendwann ein bisschen nach, aber nie ganz. Es geht weiterhin durch weite und offene Ebenen, immer mit Schnee bedeckten Gipfeln im Hintergrund.

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Gegen Mittag erreiche ich dann meine erste größere armenische Stadt: Gyumri. Ich sorge dafür, dass ich wieder etwas Geld zur Verfügung habe, dann esse ich noch etwas.

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Gut gesättigt geht es dann weiter. Die Karte zeigt mir, dass ich den großen, Schnee bedeckten Berg, der sich vor mir erhebt, rechts umfahren werde. Dahinter befindet sich mein Ziel. Jerewan. Gottseidank habe ich dazugelernt und vertraue nicht mehr blind auf das Navi. Sonst wäre ich jetzt gerade auf dem Weg auf 3500 Meter. Das hätte lustig werden können.

So strample ich aber noch 40 weitere Kilometer auf den Tacho, bevor ich mich nach einem Zeltplatz umschaue. Ich befinde mich am Rande eines verlassenen Industriegebietes. Dort gibt es sicher etwas, was mich für die Nacht beherbergen könnte. Verlassenes Industriegebiet…in gute Idee?

Ich werde schnell fündig. Eine kleine Hütte mit einer fehlenden Tür macht das Rennen. Ich baue mein Zelt in ihr auf und hoffe, dass meine Nachbarschaft auch die Nacht über so ruhig und nicht existent bleibt. Als sich die Sonne über dem verlassenen Industriegebiet zu Neige senkt, ziehe ich mich dann in mein Zelt zurück. Im Zeitraum von einer Stunde war draußen immer noch niemand zu sehen gewesen. Ich schrecke noch einmal kurz auf, als ich das Rascheln der Bäume im Wind für Schritte halte, realisiere dies dann aber und schlafe letztendlich zufrieden, tief und fest ein.

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Am nächsten Morgen stellt sich heraus, die Nacht in der Hütte hat sich gelohnt. Während draußen der Morgentau auf der Wiese klebt, ist mein Zelt komplett trocken. Wunderbar. Guter Dinge breche ich auf und muss erstmal bergauf. Und danach dann bergauf. Und dann wieder bergauf. …was zum Teufel! Jerewan sollte doch 1000 Meter unterhalb mir liegen. Wieso geht es dann immer bergauf? Unverständnis weicht irgendwann für Demotivation. Da kann mich selbst die Polizeikontrolle, die mich untere ihre Lupe nimmt nicht aufheitern.

Erst als ich Trauben bei ein paar älteren Damen kaufen will, ändert sich das. Ich habe nämlich noch gar nicht zu Ende gesprochen, da wird mir schon ein Stuhl angeboten. Und zum Stuhl gibt es dann auch noch einen Fladen. Und dann noch einen zweiten und eine dritten. Papsatt breche ich nach einer Weile wieder auf. Zum Abschied schenken mir die Drei noch eine Tüte voll Trauben und acht Äpfel. Wow!

Bis Jerewan bleibt es aber hügelig. Die Beine brennen und ich werde müde und müde und.. dann bin ich da. Ganz plötzlich fahre in die Stadt ein. Ich will mit der Suche nach einer Jugendherberge beginnen, da entdecke ich einen kleinen Radladen neben der Straße. Der Laden sieht sehr nach Bastlern aus. Ich beginne eine Unterhaltung mit den Besitzern und sie erklären mir den Weg zu einem nahe gelegenen Hostel. Erst will ich dort gar nicht bleiben, da es fern vom Zentrum ist, doch der Preis ist mit 7 Euro gut und ich bekomme dafür sogar das Sechsbettzimmer für mich alleine.

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Die nächsten Tage verbringe ich in Jerewan. Da auf der Wetterkarte eine Regenfront auf dem Weg ist, entschließe ich mich dazu, den Bus von Jerewan bis nach Täbris im Iran zu nehmen. Andernfalls hätte ich auf diesen 500 Kilometern über 4-5 Pässe gemusst, drei davon zwei davon über 2500 Metern. Gut möglich, dass ich dann in den Schnee gekommen wäre.

Datum: 15. Oktober 2015 bis 24. Oktober 2015

2 Kommentare

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  • Lieber Samuel,
    natürlich verfolge auch ich deine Tour weiter. Ich bin beeindruckt von deinem Mut, deiner Energie und deinem Vertrauen.
    Seit einiger Zeit werde ich nicht mehr über E-Mail benachrichtigt, wenn du neue Beiträge veröffentlichst. Vielleicht kannst du das wieder ändern?
    Weiterhin alles Gute,
    Günter Sedlmeier

    • Hallo Herr Sedelmeier,

      vielen Dank! Wegen den E-Mails: Ich habe ein neues E-Mail Plugin installiert. (Trotzdem sollte das alte eigentlich noch funktionieren.) Ich habe jetzt einfach mal ihre E-Mail in das neue eingetragen und sie müssten nur noch in die Bestätigungsmail auf den Link klicken.

      Beste Grüße

      Samuel

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