Ich bleibe für fast eineinhalb Monate in Rishikesh. Während dieser Zeit besuche ich einen Satsang von Mooji. Satsang, das ist ein spirituelles Gespräch und Mooji, das ist ein Erleuchteter aus Europa. Immer vormittags trafen sich dabei um die 2000 Leute und haben ihm dann Fragen gestellt.

Während dieser Zeit passiert auch ein lustiger Zufall. Eines Tages sitze ich in Rishikesh in einer Rikscha und kucke zu Seite, wo ich einen Mann sehe. Auch er sieht mich und ich denke, den kenn ich doch! Bloß woher? Carlos…? Richtig! Der Carlos, den ich zuletzt im Iran getroffen habe. Er hat sein Rad in Teheran gelassen und ist zum Überwintern nach Indien gekommen. Was ein Zufall das ist, dass man sich einfach Mitte in Indien trifft. Natürlich hatten wir dann erst einmal allerlei Geschichten auszutauschen.

Doch irgendwann muss es dann auch mal wieder weitergehen. Und so schwinge ich mich am Morgen des Tages nach Satsang wieder auf mein Rad. Ob meine Beine das Radeln wohl noch gewohnt sind?

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Der erste kleine Berg, auf den ich kurz hinter Rishikesh treffe, lässt mich erst einmal daran zweifeln. Ich kämpfe mir meinen Weg nach oben und denke nur, ob Nepal so eine gute Idee war? Da sind die Berge ja nochmal von einem ganz anderen Kaliber.

Für den Aufstieg werde ich aber erst einmal mit einer herrlichen Fahrt am Rande eines Nationalparks belohnt. Die Straße führt durch den Wald und aus der grünen Blättermasse stechen immer wieder dunkelrote Bäume hervor. Wunderschön!

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Danach geht es auf bereits bekannten Straßen weiter nach Südosten. Je weiter ich mich von Rishikesh entferne, desto mehr Zweifel beschleichen mich mit einem Mal. Zweifel um den Sinn der Tour. Warum mache ich das überhaupt? Was ist der Punkt? Aber warum macht man überhaupt irgendetwas? Darauf kann ich ultimativ keine Antwort finden. Schon vor einiger Zeit, habe ich für mich festgestellt, es gibt keinen Sinn und es gibt auch nicht keinen Sinn. Es ist bloß der intellektuelle Versuch zur Daseinsberechtigung, bzw. die andere Seite der gleichen Medaille. Doch liegt nicht in der Absenz von Sinn und Sinnlosigkeit Freiheit?

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Trotzdem bin ich den Vormittag nach dem Abschied traurig. Erst gegen Nachmittag ändert sich das und es kehrt wieder Friede und Leere ein.

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Da ich die Straße, die ich befahre von vor einem Monat kenne, weiß ich, dass sie mich nach Najibabad führt. Dort war es das letzte Mal schwer einen Schlafplatz zu finden und die Stadt war mir auch irgendwie unangenehm.

Deswegen versuche ich auf einen kleinen Weg am Rande des Gebirges weiter nördlich zu kommen. Jedoch bekomme ich widersprüchliche Informationen ob man da fahren kann. Letztlich werden mir die Geschichten von wilden Tigern und Elefanten zu viel und ich gebe mich Najibabad geschlagen.

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Auf dem Weg dorthin treffe ich auf einen indischen Radfahrer. Gerade wenn man junge Inder überholt wird man kurz darauf meistens selbst wieder überholt. Auch so heute. Aber heute kann der Inder sogar mit mir mithalten und so habe ich für über zehn Kilometer einen Partner.

In Najibabad angekommen ist es erst vier Uhr. So entschließe ich mich noch 20 Kilometer weiter bis Negina zu fahren. Auf dem Weg dorthin komme ich wieder einmal an einem Unfall vorbei. Ein Jeep muss frontal beim Überholen in einen kleinen Lieferwagen gekracht sein. Hat man einmal den Verkehr in Indien gesehen, ist sowas nicht sehr überraschend. Was hingegen überraschend ist, dass sich eine riesige Menge, um die hundert Leute, um den Unfallort geschert hat. Und der Unfallort ist irgendwo mitten auf dem Land, kein Haus in Sicht!

Am Abend erreiche ich Negina. Wie sich herausstellt, gibt es nur ein einziges Guesthouse in der ganzen Stadt. Ich fahre, extrem übermüdet, dort hin. Der erste Tag nach der langen Pause hat mich doch sehr geschafft.

Aber bei dem Guesthouse geht es dann los. Ich soll zur Polizei gehen um mir dort eine benötigte Application Form auszufüllen. Sowas habe ich in ganz Indien noch nicht gehört und wie denkt der Herr, dass die Polizeibüros dann in Touristengebieten aussehen? Nach einer langwierigen Diskussion bekomme ich das Zimmer aber gottseidank ganz normal.

Das Zimmer ist auch ganz okay. Zumindest, bis ich den Ventilator anschalte. Da erhebt sich nämlich augenblicklich ein blutrünstiger Schwarm an 20 bis 30 Mücken aus allen Winkeln des Raumes. Hurra… Das wird eine brutale Nacht.

Dementsprechend müde wache ich am nächsten Morgen auch auf. Dafür haben meine Muskeln den Start recht gut verkraftet. Einzig mein Hintern bereitet Probleme. Beim Sitzen schmerzt es gehörig, gottseidank gewöhnt man sich an den Schmerz und vergisst ihn.

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Als ich durch die nächste Stadt komme, werde ich auf einmal von ein paar Kindern mit einer dicken Ladung Wasser vollgespritzt. Und das Wasser enthält auch noch Farbe. Pinke Farbe! Ich denke nur, was das denn soll?

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Kurze Zeit später wird es klar. Ich entschließe mich, eine Abkürzung zu nehmen. Die Abkürzung führt mich über eine holprige Sandpiste. Da mein Hintern eh schon weh tut, bin ich froh, als ab der Hälfte dann die Straße neu gemacht wird. Neu gemacht von pinken Straßenarbeitern. Sie erzählen mir, dass bald Holi ist. Das berühmte Fest Indiens mit den bunten Farben.

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Am Nachmittag erreiche ich schon das Ziel, das ich für den heutigen Tag geplant hatte, die Stadt Kashipur. Mittlerweile mache ich kaum noch Pausen während ich fahre und so schaffe ich mehr in kurzer Zeit. Nicht, dass das das Ziel ist, aber wenn’s rollt, dann rollt’s.

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Durch einen Unfall außer Dienst, jetzt überwuchert im Graben.

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Für heute Nacht finde ich dann noch ein kleines Hotel, das schön ruhig außerhalb der Stadt gelegen ist.

 

Datum: 21. März 2016 bis 23. März 2016

9 Kommentare

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  • Hallo Samuel, schön mal wieder einen Bericht von dir zu lesen. Ich verfolge deine
    Tour schon seit einiger Zeit – und das mit größter Bewunderung! Es ist spannend und interessant über deine Erfahrungen mit Menschen und Kulturen zu lesen. Mach weiter so! Ich bin schon gespannt, was du aus Nepal zu berichten hast. Gute Reise, Lg. aus Köln, Marco

  • Hallo Samuel.
    echt cool wie weit du es schon geschafft hast.
    Vielleicht kannst du dich noch an mich erinnern wir haben uns ganz am Anfang deiner reise kurz vor Linz vor einem Geschäft getroffen.Ich war selber mit dem Kanu auf der Donau unterwegs und habe gerade eis gegessen.habe im vergangenen Jahr oft an dich gedacht nur nie wenn ich in der nähe vom Internet war und somit stolpere ich zum ersten mal über deinen Blog.Ich kann mich noch erinnern wie meine Schwester sagte du würdest für so eine reise einfach zu „lieb“ aussehn und währt vielleicht ein bisschen zu naiv während du einkaufen gehst einfach ein bar fremden dein Fahrrad anzuvertrauen ; ) .
    Ich bin stolz auf dich und wünsche dir das du dich auf dieser reise so richtig gut kennen lernst.
    ganz liebe grüße aus Österreich
    daniel

    • Hallo Daniel,

      erinnern kann ich mich leider nicht mehr, aber bei der Geschichte musste ich lachen. Da freut es mich ja umso mehr, dass ich es geschafft habe. 😉

      Liebe Grüße aus Nepal

      Samuel

  • Hallo Samuel,

    aus Kindern werden Leute und daran merkt man, dass man alt wird. Das war doch erst gestern, als der kleine Samuel an meiner Hand auf der Treppe stand und einfach nicht in den Pausenhof hinausgehen wollte. Wie viele Tage standen wir die Pause über da zusammen bis du dich hinaus trautest?
    Und jetzt radelt der „kleine Samuel“ durch die Welt. Der Wahnsinn. Ich bin wirklich beeindruckt und würde dich gerne mit Fragen zum wie, warum und überhaupt löchern. 🙂

    Viele Grüße,
    Deine ehemalige Lehrerin in der 1. und 2. Klasse

    P.S. Ich habe immer noch einen roten Buntstift von dir in meiner „Schlamperstiftekiste“. Sag doch bitte Bescheid, wo ich ihn hinschicken darf 😉

    • Hallo Birgit

      Wow, das ist ja schon eine Weile her. 😀 Wie hast du denn meinen Blog gefunden? Fragen kannst du mir gerne stellen!

      Viele Grüße

      Samuel

  • Hallo Samuel!

    Bin Norival, aus Brasilien. Hab deine Videos gesehen und es hat mir sogleich gefallen und aufgeregt. Wie du da fahrs zwichen autos, LKWs, Hunde, Affen, was weiss ich noch alles…
    Wünsche dir noch grosse Erfahrungen. Wenn du in Brasilien Radfahren wirst, kannst du bei uns ein Paar Tage bleiben. Ok?

    Norival

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