Am Tag, an dem ich Hamadan verlasse komme ich erst gegen Mittag los. Ich fahre aus der Stadt und folge für 30 Kilometer der Autobahn Richtung Esfahan, bis ich schließlich auf eine kleinere und ruhigere Nebenstraße abbiege.

Ich bin nicht lange auf dieser Straße, da werde ich von dem Fahrer eines alten, weißen Skodas angehalten. Die Unterhaltung beginnt recht gewöhnlich, doch als er erfährt, dass ich Deutscher bin, ändert sich das abrupt und er beginnt von Hitler zu schwärmen. Was ein guter Mann er doch gewesen sei – ein Mann der Tat, der auch etwas durchsetzen konnte, so wie die Juden zu verbrennen. Ich glaube ich höre nicht recht. Da bis diesem Herren Hopfen und Malz verloren scheint, wende ich mich schnell wieder von ihm ab und setzte meinen Weg fort.

Eine Zeit lang bin ich noch etwas verwirrt, aber bald absorbiert mich die Faszination für das umgebende Landschaftsbild.

Die Sonne steht bereits tief und erleuchtet einen vor mir liegenden Berg im rötlichen Licht des nahenden Abends. Jener Berg erhebt seine zerklüfteten Hänge aus einer weiten Ebene, in der sich sanft die Hänge der Hügel heben und senken. Einsam schlängelt sich die Straße durch diese hügeligen Weiten. Wunderschön!

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Gegen Abend wird es dann kalt. Kälter, als ich dachte und so wird mein Plan zu campen immer unattraktiver. Spätestens, als mir die Kälte in meine Gliedmaßen kriecht, zu unattraktiv und ich fahre ein kleines Dorf in der Nähe an. Viele der Häuser scheinen verlassen zu sein, doch auf einem Hang ein bisschen oberhalb, spielen noch drei Kinder Ball. Als diese den nahenden Fremden bemerken, ist ihre Neugier geweckt. Rasch nähern sie sich mir und beginnen allerlei Fragen zu stellen. Und als sie merken, dass der Fremde kein Farsi spricht, lachen sie die ganze Zeit über diese allzu lustigen, unbekannten Töne, die stattdessen aus seinem Mund kommen.

Nachdem die Kinder mich entdeckt haben, dauert es nicht lang, da nähern sich weitere Einwohner. Als ich diese Frage, ob es hier einen windgeschützten Zeltplatz gibt, entsteht eine kleine Diskussion, an deren Ende sie mich in ihr Haus einladen. Das Angebot nehme ich natürlich gerne an.

Bei dem Haus handelt es sich um ein ganz traditionelles Haus mit glatter, sandfarbener Außenmauer und Innenhof. Es ist Wohnort einer Großfamilie und mit dieser geselle ich mich in den warmen Hauptraum. Wobei das nicht ganz stimmt. Mit den Männern der Familie geselle ich mich in den Hauptraum. Die Frauen kommen nur ab und zu herein um Tee und später das Abendessen zu bringen. Erst nach dem Abendessen setzten sie sich zu uns.

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Von meinen heutigen Gastgebern spricht keiner Englisch, aber der älteste Sohn ist Feuer und Flamme, zu mindestens ein paar Sachen zu erfahren.

Am Abend geht es dann in ein großes Schlafzimmer, in dem ich zusammen mit allen anderen Jungen der Familie schlafe. Die Älteren rauchen noch ein bisschen Wasserpfeife, ich bin aber so müde, dass ich schnell einschlafe.

Dafür bin ich dann aber auch schon wieder um 6:00 wach. Im Hauptraum darf ich noch frühstücken, dann machen wir noch ein paar Abschiedsphotos und ich fahre los.

Heute ist es wirklich schön. Über Nacht ist der Morgentau auf den Grashalmen gefroren und so glitzert der Boden herrlich im Schein der Sonne. Am Himmel ist fast keine Wolke zu entdecken. Und für den Anfang geht es noch bergab durch die morgendliche Kälte.

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Als sich mein Tal dann in eine Ebene hinein öffnet, tauche ich auf einmal in dichten Nebel. Mehrere Kilometer trübt sich meine Sicht und aus der dichten Suppe tauchen Autos, verschleiert Frauen, Schafe und Hirten auf Eseln auf. Nach ein paar Stunden lichtet sich der Nebel dann und ich erhalte Sicht auf die staubige Ebene, die ich gerade passiere.

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Gegen Mittag treffe ich dann das erste Mal auf ein Flakgeschütz. Über die nächste halbe Stunde hinweg erhöht sich dann die Militärpräsens immer weiter und an ihrem Ende stehe ich auf einmal neben einem Atomkraftwerk.

Eine Polizeistreife, die mich entdeckt, hält neben mir und verlangt nach meinem Reisepass. Danach muss ich ihr folgen. Es geht bis zur nächsten Polizeistation und dort geht es dann los. Keiner spricht Englisch und so kann ich ihnen keine Antworten geben. Der Chef beginnt wild herum zu telefonieren, immer wieder höre ich Allmani und meinen Namen raus. Und was noch dazu kommt, alle schauen mich so mitleidig an. Habe ich was verbrochen und werde bestraft? Es vergeht eine Stunde und dann eine zweite. Irgendwann schauen sie meine Photos durch, finden aber nichts Verdächtiges. Nach schlussendlich drei Stunden kann ich dann endlich gehen. Drei Stunden! Mein Rad wird in ein Auto eingeladen und zusammen mit drei Polizisten und einem Häftling fahren wir los. Der Häftling ist mit Handschellen an einen der Polizisten gekettet, aber so richtig ernst kommt mir das Alles nicht vor. Wir schauen nämlich zuerst zuhause bei dem Häftling vorbei und seine Mutter gibt im Geld und Nüsse mit, die er dann verteilt. Danach geht es zum Haus eines Polizisten und es gibt warme Milch mit Keksen.

Einige Kilometer hinter dem Atomkraftwerk werde ich dann ausgeladen. Die Polizisten sagen mir, ich solle noch 30 Kilometer bis Arak fahren, der nächst größeren Stadt. Bloß liegt die nun mal so überhaupt nicht auf meiner Route und so fahre ich lieber nach Shazand.

Als ich dort ankomme ist es bereits dunkel. Ich fahre bis zum Hauptplatz und stelle mich dort frech hin. Mir geht es nicht darum eingeladen zu werden um kostenloses Essen und einen Schlafplatz zu kassieren. Ich liebe am Einladen viel mehr, dass man Land und Leute so viel unverschleiert kennen lernt. Der Iran kommt einem so viel näher.

Heute Nacht, übernachte ich dann bei einem nette Familienvater und seiner Familie. Später kommen sogar noch Freunde dazu und wir haben eine großartige und lustige Zeit, obwohl keiner wirklich Englisch versteht. Am nächsten Morgen würde er mich sogar am Liebsten noch zum Mittagessen da behalten.

Ich muss aber los und er begleitet mich noch ein Stück zu Fuß. Nach ein paar Metern, werden wir prompt von einer Polizeistreife aufgegabelt. Ich muss ihnen bis zur Polizeistation flogen, aber diesmal dauert das Ganze Prozedere nur eine halbe Stunde. Gottseidank.

 

 

Datum: 3. November 2015 - 4. November 2015

8 Kommentare

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  • Lieber Samuel,

    wir wünschen Dir ein frohes Weihnachtsfest und weiterhin viel Spaß und Freude auf Deiner Radltour – jetzt im bunten und lebhaften Indien.

    Herzliche Grüße
    Teresa, Ludwig und Tamara

  • Hallo Samuel,

    auch wenn Weihnachten für Dich weit weg ist, wollen wir Dir ein paar gute Wünsche und positive Energie zukommen lassen.
    Schön, dass Du jetzt Indien erreicht hast – wir wünschen Dir, dass Du weiterhin so viele positive Eindrücke aufnehmen kannst und viele tolle Erlebnisse haben wirst.

    Machs gut auf Deiner Reise, liebe Weihnachtsgrüße aus Füssen – unsere Gedanken begleiten Dich
    Sandra und Werner

  • Hallo Samuel,

    nun, dein Weihnachtsgeschenk ist, dass du jetzt in Indien bist. Haben sie dir doch noch ein Visum ausgestellt! Ich habe auch 4 Wochen gebraucht, bis mein Visum in meinem Pass war. Und das, wo ich mit deutscher Staatsangehörigkeit persönlich in München an der Visumbeantragungsstelle (was nicht das Generalkonsulat ist) das Visum beantragt habe. Ich werde am 27. Januar in Frankfurt wegfliegen nach Dehli, um dann weiter mit einer kleinen Reisegruppe durch Rajastan zu fahren nach Jaipur, Jodipur, Udaipur, Pushkar, Ranthambore-NP, Agra,Jhansi, Khajuraho und schließlich Varanasi und dann zurück nach Dehli zu reisen und am 18.02. wieder nach Old Germany zu fliegen.
    Ich wünsche dir weiterhin viele schöne Erlebnisse und ein gutes Hineinkommen in das neue Jahr. Ich bin gespannt, wie du die nächsten Grenzübertritte meistern wirst.
    Viele Grüße von
    Hermann Kempf mit Frau

    • Vier Wochen? Das ist lang! Bei mir hat das Ganze in Sri Lanka gottseidank nur sieben Tage gedauert.

      Jedenfalls wünsche ich ihnen viel Spaß! Indien ist ganz wunderbar!

      Beste Grüße

      Samuel

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